Wandeln auf schmalem Grat
Podcast: Für Mediaplus-Experte Daniel Schmidt sind Podcasts etabliert, es fehlt aber noch ein passendes Vermarktungsmodell
Die Idee war simpel, die Produktion einfach: Als Podcasts vor mehr als 20 Jahren vorgestellt wurden, waren sie ihrer Zeit voraus. Doch damals waren die Hürden für die Nutzung am Computer zu hoch, das Hörerlebnis umständlich. Die Idee aber, eigenständig Inhalte veröffentlichen zu können, hat den Puls des Internets getroffen und mit dem Musikstreaming setzte dann der Erfolg von Podcasts ein. Durch das große Interesse entstanden bekannte Formate mit vergleichsweise hohen Reichweiten innerhalb der Podcastwelt, die auch das Interesse der Werbelandschaft auf sich gezogen haben.
Seit 2016 sind große Streaming-Plattformen mit exklusiven Inhalten und Abo-Modellen in den Podcast-Markt eingestiegen. Die ersten Schritte der Vermarktung waren jedoch nicht leicht. Obwohl die Nutzung laut der Studie „Spot on Podcast“ von AS&S Radio und Facit Research schon damals bei zehn Millionen Menschen pro Woche lag, fehlen bis heute noch Strukturen. Ein Versuch, das zu ändern, ging mit der Studie MA Podcast einher, die die Agma 2022 ins Leben gerufen hat und stetig erweitert. Obwohl im vergangenen Jahr umfangreiche Zielgruppen und Merkmale ergänzt wurden, fehlt es aus Agentursicht noch an Relevanz: Wegen des offenen Marktes fehlen außerdem Formate in der Auswertung, was einen Vergleich erschwert. Kunden und Agenturen stoßen zudem auf Herausforderungen bei Buchungsanfragen. Bei Podcasts gibt es oftmals Zweit- und Drittvermarkter, keine einheitlichen Reportings, aber dafür verschiedene Pricing-Modelle.
Es mangelt an einheitlichen Standards. Dabei geht es nicht nur um die Definition der jeweiligen Werbepositionen und -formate, die oft eher einer Produktbeschreibung gleicht, sondern vor allem um die Werbewirkungsmessung einer Kampagne. Die bisherigen Versuche über Rabattcodes oder gesonderte Landingpages sind mittlerweile zwar gelernt, aber ausbaufähig. Die Gattung braucht gemeinsame Forschungsansätze, wie sie Radio mit der Gattungsinitiative Audioeffekt bereits hat. Hinzu kommt, dass Podcaster:innen jegliche Werbeeinspielung vorab genehmigen müssen oder ablehnen können. Das macht es schwer, Werbung frühzeitig und langfristig – analog klassischer Medien – zu planen.
Die Monetarisierung der Gattung ist für viele Hosts kleinerer Podcasts ein wunder Punkt, denn die großen Budgets fließen regelmäßig in die immer gleichen Formate. Der hohe Abstimmungsaufwand von Host Read Ads auf allen Seiten rechtfertigt eine Integration in kleinere Umfelder nur selten. Diese sind daher meist nur über Netzwerkbuchungen mit einer vorproduzierten Ad interessant. Dadurch geht für Marken wiederum der persönliche Kontakt der Hosts mit den Hörer:innen verloren. Dabei kann auch eine Nische für eine spezifische Kampagne durchaus geeignet sein, vor allem wenn es sich um ein erklärungsbedürftiges Produkt in einer eher spitzen Zielgruppe handelt, das ohne Vorgabe der Spotlänge vorgestellt werden könnte – attraktiv besonders für die Bereiche Pharma, Landwirtschaft, Versicherung oder für Nachhaltigkeitsthemen. Ein Host, der die Botschaft authentisch in seinem Stil präsentiert, ist dabei sehr viel wert und aktiviert die Hörer:innen. Das erfordert von den Marken jedoch Mut und Vertrauen im Briefing.
Trotz aller Probleme und Herausforderungen haben Podcasts mittlerweile einen festen Platz im Mediamix. Sie müssen im Rahmen einer Audio-Strategie als integrierter Baustein betrachtet werden, der zu Kunde, Kampagne und Ziel passt. Es geht darum, einen Markt zu bedienen, der viele Möglichkeiten zulässt und völlig anders funktioniert als Radio – irgendwo zwischen Influencer Marketing und klassischer Audiobuchung.
Eine Frage, die nicht pauschal beantwortet werden kann und für die dennoch Lösungen gefunden werden müssen: Was will die Gattung Podcast sein? Vorrangig Werbeplattform oder Qualitätsmedium? Die Antwort ist entscheidend für ein gesundes Vermarktungsmodell, das skalierbar für die gesamte Gattung funktioniert und Konsument:innen nicht verärgert. Noch profitieren wir von einer hohen Werbeakzeptanz bei Podcasts – dieses hohe Gut dürfen wir nicht verlieren. Es ist ein schmaler Grat zwischen Akzeptanz und Übervermarktung.
Dieser Artikel erschien zuerst bei Horizont.