19.03.2025 |

Retail Media als Gamechanger: Chancen, Herausforderungen und Strategien für Marken

Retail Media wächst rasant – und verändert das Zusammenspiel von Marken, Handel und Agenturen grundlegend. Doch die zunehmende Vielfalt der Kanäle und Formate stellt Unternehmen vor Herausforderungen: Wie lassen sich Marketing- und Vertriebsziele optimal verknüpfen? Wie verhindert man ineffiziente Budgetnutzung? Und welche Rolle spielen Agenturen in der strategischen Steuerung?

Immer mehr Händler werden zum Netzwerk oder Publisher. In Europa sind es laut IAB Europe, dem Verband der europäischen Digitalmarketer, mittlerweile 138 – Tendenz steigend. Parallel dazu wächst das Retail Media-Inventar rasant, und längst nicht mehr nur bei Amazon. Zahlreiche Händler wollen sich ein Stück vom boomenden Retail Media-Werbemarkt sichern. Prognosen des IAB Europe zufolge wird dieser in Europa bis 2026 auf 22 Milliarden Euro anwachsen und bis 2028 sogar 31 Milliarden Euro erreichen.

Für werbetreibende Marken bringt diese Entwicklung nicht nur Chancen, sondern auch Herausforderungen mit sich. Die gestiegene Vielfalt der Retail-Media-Angebote macht es schwer, den Überblick zu behalten: Welche Retailer sind für die eigene Marketingstrategie relevant? Welche Zielgruppen lassen sich zu welchen Konditionen ansprechen? Welche Formate bieten die besten Ergebnisse? Wie misst man den Erfolg von Retail Media? Und vor allem: Sind die Strukturen der Unternehmen und ihrer Agenturen dafür geeignet, Retail Media sinnvoll in die eigene Marketing- und Mediastrategie zu integrieren? Etlichen Werbetreibenden fehlen hierzu noch fundierte Antworten, da sie weder über ausreichende Benchmarks noch über Erfahrungswerte verfügen.

Gleichzeitig zeigt sich, dass Retail Media längst nicht mehr nur im unteren Funnel – also bei Abverkauf und Conversion – punktet. Eine Umfrage der Fokusgruppe Retail Media Ecosystem im Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) e. V. von Ende 2024 belegt: Mehr als zwei Drittel der Befragten sehen das Potenzial von Retail Media im oberen Funnel, also bei der Steigerung von Aufmerksamkeit und Interesse, als hoch oder sehr hoch an.

Für Werbetreibende ist das eine vielversprechende Nachricht. Doch viele Unternehmen sind organisatorisch noch nicht auf Retail Media eingestellt. In zahlreichen Firmen arbeiten Marketing und Vertrieb weitgehend getrennt voneinander – oft mit konträren Zielen. Ein Beispiel: Während das Marketing die Marke verjüngen möchte, verfolgt der Vertrieb kurzfristige Umsatzsteigerungen. Konflikte sind vorprogrammiert.

Dabei wäre eine enge Verzahnung von internen Ziele und Aktivitäten essenziell. Denn Retail Media kann die Spielregeln in einer der wichtigsten Geschäftsbeziehungen grundlegend verändern. Bislang bestand die Zusammenarbeit zwischen Marken und Händlern in einer klassischen Handelsbeziehung. Nun jedoch werden Retailer zusätzlich zu Publishern und Vermarktern, die Leistungen anbieten, die klassicherweise von den Marketingabteilungen der Marken gesteuert wurden. Neue Ansprechpartner und eine veränderte Rollenverteilung auf beiden Seiten sind die Folge.

Retail Media

Wie Unternehmen Retail-Media ready werden

Unternehmen bzw. Marken müssen also an ihrer Organisationsstruktur arbeiten, um im Zeitalter wachsender Retail Media-Relevanz zukunftsfähig zu bleiben. Nicht umsonst definieren wir Retail Media als Kombination aus RETAIL UND MEDIA also Vertrieb UND Marketing. Für Unternehmen bedeutet das: stark vertriebsorientierte eCommerce bzw. Performance -Abteilungen müssen jetzt eng mit Brand-Teams zusammenarbeiten Doch hier treffen oft unterschiedliche Sprachen und KPIs aufeinander – eine Herausforderung, die nicht unterschätzt werden darf.

Doch nicht nur Unternehmen müssen sich anpassen, auch Agenturen stehen vor einem Wandel. Im neuen Setup sind sie deutlich mehr als beratende Instanz gefragt. Sie sind das Bindeglied zwischen Marketing und Vertrieb im Unternehmen sowie die neutrale Instanz zwischen Retailer und Unternehmen. Ihre Aufgabe ist es, interne Aktivitäten zu bündeln, Synergien zu schaffen und die Zusammenarbeit zwischen Vertrieb, Marketing, Performance-Marketing, E-Commerce und Brand-Management effizient zu orchestrieren. Um dieser zentralen Rolle gerecht zu werden, brauchen Agenturen nicht nur Mediaprofis, sondern auch Vertriebsexperten, die die neuen Herausforderungen beratend begleiten können.

Die Rolle der Agenturen im Retail Media-Zeitalter

Agenturen spielen eine entscheidende Rolle dabei, Unternehmen auf die Anforderungen von Retail Media vorzubereiten. Sie unterstützen Werbetreibende in mehreren zentralen Bereichen:

Während sich Agenturen früher vor allem mit Mediaplanern und Marketingleitern abstimmten, rücken nun auch Key Account Manager der Marken stärker in den Fokus. Die E-Commerce Teams der Marken müssen die Gesamtplanungen kennen und mit den Retail Media-Expertenteams der Agentur zusammengebracht werden.

Eine enge Abstimmung zwischen Marketing und Vertrieb ist essenziell. Besonders bei Produktwerbung gilt: Die beworbenen Artikel müssen auch verfügbar sein. Vertrieb und Retailer haben für Sales und Promotions oft eine Jahresplanung erstellt. Die Agentur muss sich diese anschauen und mit der Mediaplanung harmonisieren. Agenturen helfen dabei, Vertriebs- und Mediaplanungen zu synchronisieren, damit Kampagnen gezielt auf Promotion-Aktionen abgestimmt sind und ihre Wirkung optimal entfalten.

Optimalerweise bauen Promotion und Media aufeinander auf. Die Agentur berät, welche Maßnahmen digital und stationär zu welcher Zeit ausgespielt werden.

Retail Media bietet Marken große Chancen, doch ohne gezielte Steuerung droht Budgetverlust. Ein häufiges Problem ist die Selbst-Kannibalisierung. Ein Beispiel: Eine Marke bewirbt ein Produkt mit Google Ads, während ein großer Retailer dasselbe Produkt ebenfalls mit einer Google Ads-Kampagne pusht. Beide bieten auf dieselben Keywords, treiben so gegenseitig die Klickpreise in die Höhe und senken die Effizienz.

Eine strategische Mediaplanung verhindert diese Situation durch Cross-Channel-Tracking und durch einen Datenabgleich zwischen Marke und Retailer. So lassen sich doppelte Gebote vermeiden und Budgets effizienter steuern.

Retail Media-Kampagnen zu bewerten, ist nicht trivial, da die Reportingstandards je nach Retailer variieren. Agenturen unterstützen Marken bei der Implementierung datengetriebener Attributionsmodelle, um den  den Einfluss der Maßnahmen präzise zu bestimmen und damit Werbebudgets effizient zu steuern. Klassische Metriken wie Impressionen oder Klicks reichen nicht aus. Entscheidend sind Conversions, der Return on Ad Spend (ROAS) und die Inkrementalität, also der zusätzliche Umsatz, der durch eine Kampagne generiert wird. So wird nicht nur die Performance optimiert, sondern auch die strategische Rolle von Retail Media im Marketing-Mix gestärkt.

Das Datenangebot der Händler für Marken steigt exponentiell. Agenturen helfen Werbetreibenden, gezielt jene Datensätze auszuwählen, die zur jeweiligen Kampagnenstrategie passen: Das Datenpaket mit hoher Reichweite und vielleicht geringerer Detailtiefe? Oder das sehr granulare mit einer niedrigen Reichweite und hoher Detailgenauigkeit? Die Herausforderung: Mit wachsendem Datenangebot gibt es zunehmend Überschneidungen, sodass ein und derselbe Mensch in mehreren Datenpools mehrfach auftaucht.

Viele Markenverantwortliche sprechen heute noch von Omnichannel-Strategien. Retail Media, Künstliche Intelligenz und hochwertige Datenpools ebnen den Weg zu einem Unified Commerce-Ansatz. Der zentrale Unterschied? Eine nahtlose Echtzeit-Verknüpfung aller relevanten Datenpunkte entlang der gesamten Customer Journey – vom stationären Handel bis zum Online-Kauf.

Die erfolgreiche Integration von Retail Media in bestehende Mediaplanungen zahlt direkt auf zwei zentrale Unternehmensziele ein: eine spürbare Absatzsteigerung und eine konsistente, reibungslose Customer Experience. Konsument:innen erleben eine nahtlose, personalisierte Einkaufserfahrung, die genau auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten ist. Marken profitieren von einer einheitlichen, kanalübergreifenden Präsenz. Gelingt diese Verzahnung, wird Retail Media weit mehr als nur ein weiterer Werbekanal. Es wird zum strategischen Wachstumstreiber, der sowohl Marken als auch Kunden echten Mehrwert bietet.

Die Autor:innen

Carina Müller

Carina Müller

General Manager Retail & Commerce

LinkedIn >

Julian Simons

Julian Simons

Managing Partner

LinkedIn >