In der Vergangenheit haben deutsche Unternehmen als Exportweltmeister ihre Produkte stets erfolgreich mit dem Siegel „Made in Germany“ als international etabliertes Qualitätsversprechen gekennzeichnet. Inzwischen verändern sich nicht nur weltweit die ökonomischen Verhältnisse, sondern auch die Sicht der neuen Generationen auf Marken und ihre Herkunft.

Einst als Erfindernation gefeiert, steht die deutsche Wirtschaft heute vor enormen Herausforderungen. Was da hilft, ist der Blick von außen. Wir sprechen heute mit den Macher:innen der Zukunftsnarrativstudie „Die Zukunft von Made in Germany“: Stefan Baumann, Gründer und Geschäftsführender Gesellschafter bei STURMundDRANG, und Stefanie Kuhnhen, Chief Strategic Officer bei Serviceplan Germany.

 

TWELVE Mail: Ihr habt euch gemeinsam mit MEISTERKREIS und deutschen Markenunternehmen die Frage gestellt „Wie zukunftsfähig ist Made in Germany?“. Dabei habt ihr nicht nur 3.000 Konsument:innen in den internationalen Konsummärkten befragt, sondern auch mit vielen Expert:innen aus Wirtschaft und Kultur gesprochen. Was war euer Antrieb?

Stefanie Kuhnhen: Ganz einfach, wir möchten einen Beitrag leisten, mit dem was wir können. Als Agentur sind wir in Veränderungsprozessen immer an der Seite von Marken und Unternehmen und das gerade in Zeiten multipler Krisen. Aus den Ergebnissen der Studie mit unserer Expertise Narrativvorschläge herauszuarbeiten und so deutschen Marken im internationalen Wettbewerb zu helfen, ist Ziel und Antrieb genug.  

Stefan Baumann: Wir wollten verstehen, welches Potential in „Made in Germany“ steckt, denn dass die alte Erzählung vom traditionellen German Engineering ein Auslaufmodell ist, ist jedem klar. Spannend aber ist die Frage „Was ist dann das ‚Good New Germany‘?“ Welche Qualitäten verbinden Konsument:innen international mit deutschen Produkten? Wie wichtig ist der Place of Origin für sie und welche Kompetenzen werden deutschen Marken künftig noch zugeschrieben?

 

TWELVE Mail: Kurz zusammengefasst: Was habt ihr herausgefunden?

Stefan Baumann: Die gute Nachricht zuerst: Im Ausland traut man „Made in Germany“ wirklich etwas zu. Wir sind stark. Wichtige Qualitäten wie technische Exzellenz, Zuverlässigkeit oder Craftmanship werden uns zugeschrieben. Jetzt die schlechte Nachricht: Die Stärke ist da, aber sie wird künftig nicht mehr ausreichen. Denn nur technisch exzellente Produkte herzustellen, ist nicht genug für das nächste Wirtschaftssystem. Wir haben deutliche Defizite im Digitalen und im Bereich Innovation. Und unique Zukunftsqualitäten, die immer relevanter werden, nutzen wir nicht.

 

TWELVE Mail: Was können dann Marken tun, um nicht als Bewahrer des „Good Old Germany“ abgestempelt zu werden?

Stefanie Kuhnhen: Integrationsintelligenz ist gefordert. In Zukunft überzeugt der, der Welten verbinden kann: Reale Welt mit digitaler Welt, Produktwelt mit menschlicher und kultureller Welt, wissenschaftliche mit ökonomischer Welt. Hier liegt enormes Potenzial für deutsche Marken. Denn in ganzheitlichen Systemen zu denken, die dem Unternehmen aber auch dem Menschen und seiner Lebenswelt dienen, das können wir.  Allein das korrekte Spaltmaß reicht künftig nicht mehr aus.

 

TWELVE Mail: Ihr sprecht in eurer Studie davon, dass „Made in Germany“ menschlichen Fortschritt produziert. Was steckt dahinter?

Stefan Baumann: Ganz klar: Menschlicher Fortschritt entsteht nur durch die Integrationsintelligenz, die Stefanie eben ansprach. Deutsche Marken produzieren keine isolierten, technischen Hochleistungsprodukte, sondern „Made in Germany“ produziert weit mehr: menschlichen Fortschritt. So sind deutsche Produkte neben ihrer technologischen Güte immer auch eingebettet in einen soziokulturellen und sozioökonomischen Nutzenkontext. Weg vom technischen Ingenieur, hin zum Zukunftsbauer menschlicher, ganzheitlicher Systeme, die rund um den Menschen und seine Lebens- und Nutzungswelt konzipiert sind.

Stefanie Kuhnhen: In Deutschland ist Wirtschaft stark identitätsbildend. Aktuell verbindet uns die übergreifende Suche nach einem neuen Nordstern, der uns verbindet und leitet. Denn wir merken, dass die alten Rezepte allein nicht mehr funktionieren.

Ich bin fest davon überzeugt, dass das „neue menschliche Zeitalter“ – wie wir es nennen – gerade in Zeiten von KI, Autarkie und Klimakrise eine echte Chance für die Weiterentwicklung von deutschen Marken darstellt. Denn wenn ich ein deutsches E-Auto statt eines chinesischen E-Autos kaufe, ist letzteres zwar günstiger, aber ich kaufe eben auch soziale Ungerechtigkeit mit ein. Wir könnten viel stärker darauf setzen, dass man bei uns einen lebenswerten Raum für Menschen mitkauft und unterstützt. Produkte und Services gezielt für diesen Innovationsraum zu entwickeln, das ist unsere Chance. Denn diese ganzheitlichen, lebensdienlichen Qualitäten traut die Welt nur uns zu. Nutzen wir sie!

Unsere Narrativ-Landkarte auf Basis der Studie zeigt genau diese Chancen für Unternehmen, aber auch für die „Marke Deutschland“ insgesamt auf. Der Zukunftsnebel kann sich lichten und wir gelingende, lustmachende Geschichten und Glaubenssätze für Morgen erzählen, die Lust machen, mitreißen und uns alle hinter einem starken Sinn versammeln!

 

TWELVE Mail: Vielen Dank für das Gespräch.

Über die Studie „Die Zukunft von Made in Germany“

Mit der Zukunftsnarrativstudie der Transformationsforschungsagentur STURMundDRANG, der Agenturgruppe Serviceplan Group und dem MEISTERKEIS wurde das Image und die Bedeutung von „Made in Germany“ in internationalen B2C-Märkten untersucht. Quantitativer Partner ist die Inno Fact, Düsseldorf. Die Ergebnisse basieren auf einem methodischen Ansatz der kulturellen Zukunftsforschung in einem dreiphasigen Qual-Quant Studiendesign.

Jetzt weiter stöbern

Weitere Artikel