Mediaplus setzt auf eine globale Datenstrategie, die Märkte effizient vernetzt und KI-gestützte Prozesse vorantreibt. Im Interview mit Horizont erklären unser globaler CEO Matthias Brüll und Karin Immenroth, seit November 2024 Global Chief Data Officer, warum eine neue Infrastruktur entscheidend ist, welche Rolle Automatisierung spielt und warum wir die Konsolidierung im Markt nicht fürchten.
Karin Immenroth ist seit November 2024 bei Mediaplus an Bord. Warum haben Sie die Position des Global Chief Data Officer geschaffen?
Matthias Brüll: Daten sind die Grundlage von all unseren Kommunikationsdisziplinen hier im House of Communication, aber insbesondere auch in der Media. Es geht darum, personalisierte und trennscharfe Zielgruppen zu adressieren und über die Zielgruppen ein besseres Verständnis in Echtzeit zu bekommen. Eine globale Datennutzung bildet dafür die Grundlage. Deshalb haben wir hoch aufgehängt diese Position geschaffen, bei der alle Fäden rund um Datenorganisation und -aktivierung zusammenlaufen.
Daten besser nutzbar zu machen, steht gerade im Lastenheft so ziemlich jeder Mediaagentur. Was bedeutet Transformation bei der Mediaplus?
Brüll: Die Transformation betrifft eigentlich fast alle Agenturbereiche, aber ihren Startpunkt hat sie in unserem Insights-Bereich. Das, was früher in der Mediaagentur die Forschung war, wird neu gedacht und nutzbar für alle gemacht. Wirklich jeder Bereich, bei dem es Sinn macht, bekommt einen KI- und Datenfokus. Unter der Federführung von Karin kümmern sich bei uns in der Gruppe ungefähr 200 Leute national und international um Daten, Datenverfügbarkeit, Visualisierung und technologisches Setup.
Karin Immenroth: Meine Aufgabe ist im Wesentlichen die Entwicklung einer globalen Datenstrategie und -organisation, die all unsere Märkte – ob groß oder klein – umfasst. Wir müssen unsere globalen Kunden bestmöglich betreuen und dafür alle Märkte sauber an unser Ökosystem anbinden. Dafür haben wir jetzt verschiedene Disziplinen zusammengefasst. Zum einen alles, was klassisch Research und Analytics ist. Dieser Bereich heißt künftig Mediaplus Data. Aber zum anderen auch alles, was unter Business Solutions fällt und zentrale Daten und Technologien für unser Geschäft beinhaltet, beispielsweise die Dateninfrastruktur und das Buchungssystem.
Klingt nach einer beherzten Umstrukturierung.
Immenroth: Es ist in der Tat mehr als eine Umstrukturierung, es ist eine tiefreichende Transformation, mit dem Ziel, das globale Offering breiter aufzustellen und die Arbeit unserer Mitarbeiter:innen effizienter zu gestalten. Wir wollen Daten für die gesamte Strecke global verfügbar machen. Ich sehe mich stark als Evangelistin und spreche deshalb mit vielen Menschen – intern und extern, auch um Ängste abzubauen. Natürlich gibt es die. Gen AI führt dazu, dass sich die Welt für jeden von uns verändert. Wir müssen dem mit offenen Armen entgegenkommen und dafür sorgen, dass diese Veränderung auch von unseren Teams offen aufgenommen wird.
Brüll: Die größte Herausforderung ist, von einem planungsorientierten Ansatz der letzten Jahrzehnte zu einem Lösungsansatz zu kommen, in dem auf Grundlage von Daten Entscheidungen getroffen werden, die fast in Echtzeit verfügbar sind.
„Es ist eine tiefreichende Transformation, mit dem Ziel, das globale Offering breiter aufzustellen.“
Karin Immenroth
Wie sieht der Ansatz konkret aus?
Immenroth: Die Vision, die wir gerade zum Leben erwecken, ist der Aufbau einer übergreifenden globalen Datenplattform. Wir arbeiten bereits jetzt schon mit globalen Daten, aber das ist derzeit aufwendiger, als es sein müsste, weil wir unsere Dateninfrastruktur noch nicht nahtlos verbunden ist. Wir haben auch jetzt schon Unmengen an Insights, die zum Teil auch schon ausgetauscht werden, aber da gibt es Verbesserungspotenzial. Und es gibt zu wenige länderübergreifende Analysen, die für globale Kunden jedoch überaus relevant sind. Deshalb ist Dateninfrastruktur eines meiner Topthemen.
Es gibt verschiedene Ansätze, eine Dateninfrastruktur zu bauen. Wie ist Ihr Weg?
Immenroth: Wir sind ein stark dezentral aufgestelltes Unternehmen, das muss sich widerspiegeln. Wir bauen dazu eine Hub-and-Spokes-Struktur, die anders funktioniert als ein zentraler Data Lake. Im Hub werden alle globalen Marktdaten gelagert, das sind zum Beispiel Statista-Daten, die einen strategischen Überblick ermöglichen. Dazu kommen Datenquellen wie CRM-Daten, Mediennutzungsdaten und Audience-Daten. An den Hub werden unsere Märkte über Spokes, die Speichen, angebunden. Darauf wird der Fokus in den nächsten drei bis sechs Monaten liegen. Parallel arbeiten wir daran, dass Märkte lokal ein besseres Datenoffering haben.
Bedeutet das, sie gehen mehr Partnerschaften mit Datenlieferanten ein?
Immenroth: Wir werden künftig noch stärker auf (Daten-)Partnerschaften setzen, um innovative Lösungen zu entwickeln, unseren Kunden noch tiefere Insights zu bieten und neue Wertschöpfungspotenziale zu erschließen.
Was muss man dafür investieren?
Immenroth: Der Aufbau erfolgreicher Datenpartnerschaften erfordert gezielte Investitionen in Technologie, Datenschutz und Expertise. Entscheidend ist dabei nicht nur die finanzielle Komponente, sondern vor allem die strategische Ausrichtung, um den maximalen Mehrwert für alle Beteiligten zu schaffen.
Worin liegen die Vorteile der Struktur?
Immenroth: Kunden haben häufig Bauchschmerzen, ihre Daten in eine große Agenturplattform zu geben. Wir können die Kunden wie einen Spoke anbinden: Die Daten bleiben bei ihm liegen und wir stellen eine technische Verbindung her, die es uns ermöglicht, mit den Daten zu arbeiten, die wir brauchen, um eine Kampagne zu verlängern oder Analytics aufzusetzen. Das machen wir über den Data Mesh Approach. Wir nutzen damit die Stärke der Zentralität im Hub und die Stärke von Dezentralität, indem wir die Länder über eine Art Netz zu unserem Hub verbinden. Der Ansatz ist transparent und sorgt für mehr Effizienz – Zeit, die wir nutzen können, um Kunden besser zu beraten und schneller Datenprodukte aufzusetzen.
Effizienz heben klingt immer so schön. Am Ende bedeutet es meist, mit weniger Leuten mehr Arbeit zu schaffen.
Brüll: Ja, eine solche Datenstruktur und KI macht den Job der Personen einfacher. Von weniger Leuten sind wir aber weit entfernt, im Gegenteil! Wir sehen überall eine Überlastung, es wird immer mehr und immer schneller. Als Mediaagentur werden 95 Prozent der Arbeit, die wir machen, nicht vom Kunden gesehen, weil es Abwicklung ist. Ich würde mir wünschen, dass 50 Prozent sichtbar werden und wir nur 50 Prozent auf die händische Abwicklung verwenden müssen. Wir haben einen Riesenapparat, allein in Deutschland sind es fast 1000 Mitarbeiter. Das Ziel muss sein, mehr Zeit dafür zu haben, Kunden durch die Komplexität zu führen.
„Eine solche Datenstruktur und KI machen den Job einfacher. Von weniger Leuten sind wir aber weit entfernt, im Gegenteil!"
Matthias Brüll
Immenroth: Ein Beispiel dafür, wie wir das machen, ist der „Magic Button“. Für Großkunden wie BMW erstellen wir jede Woche Reportings. Pro Markt dauert das vier Stunden – und im Fall BMW sind es 27 Märkte. Das haben wir nun auf 20 Sekunden vollautomatisierte Reporterstellung eingedampft. Diese Erleichterung spüren unsere Mitarbeitenden sofort. Was der Planer jetzt noch machen soll, ist, sich die Daten in der fertigen Präsentation anzuschauen und seine Learnings und Insights daraus einzufügen. Das rollen wir nun auf weitere Kunden und natürlich weitere Routine-Arbeitsvorhänge aus.
Apropos BMW: Aktuell ist der Etat auf Mediaplus und Dentsu verteilt und wird nun komplett ausgeschrieben, mit der Idee, nur noch mit einem Network zu arbeiten. Wie ist der Stand im Pitch?
Brüll: Wir arbeiten daran. Ich kann nicht viel dazu sagen. Der Prozess läuft bis zum Sommer. Wir sind wirklich gut in Form und wollen den Pitch zu unseren Gunsten entscheiden. Mit der Marcom Engine arbeiten wir für BMW bereits jetzt in einem End-to-End-System. Von der Asset-Produktion über die dynamische Ausspielung von Assets, das CRM und Social. Media ist in diesem System ein sehr wichtiger Baustein und ich glaube, dass wir daher eine ganz gute Ausgangsvoraussetzung haben.
2023 war im Neukundengeschäft ein Erfolgsjahr. Wie ist 2024 zu bewerten?
Brüll: Das letzte Geschäftsjahr 2023/24 war so erfolgreich, wie ich es noch nie in einer Agentur erlebt habe. Da haben wir eine Menge Volumen geholt, das wir erst mal konsolidieren mussten. Insofern ist es natürlich, dass wir im laufenden Geschäftsjahr eine Abflachung beim neuen Volumen haben. Wir stehen immer noch besser da als die meisten anderen Agenturen und haben multinationale Etats wie Bosch über 38 Märkte geholt. Oder Gardena, ein für uns ebenso wichtiges Mandat. Im laufenden Geschäftsjahr stehen einige größere Pitches an. Ich bin überzeugt, dass wir auch dieses erfolgreich abschließen können.
Auch netto oder durch Zukäufe? Sie haben 2024 die Total Media Group gekauft.
Brüll: Das war im April 2024 und der Kauf war schon im Geschäftsjahr 2023/24 konsolidiert. Unsere Forecasts zeigen auf dieser Basis auch für 2024/25 ein zweistelliges Wachstum.
Wollen Sie weiter zukaufen?
Brüll: In UK sind wir jetzt sehr gut aufgestellt. Wir werden unsere Präsenz zu einem House of Communication ausbauen und es nicht nur bei einem Media-Arm belassen. In den USA werden wir immer stärker, aber wir wollen dort als Gruppe noch größer werden. Das wird noch ein interessanter Bereich sein, den wir uns in diesem Jahr stark anschauen werden.
Der Merger von Omnicom und Interpublic steht an. Was bedeutet er für die Einkaufsgemeinschaft Magna Global Mediaplus mit IPG Mediabrands?
Brüll: Wir empfinden diesen Merger als Glücksfall für uns, weil wir glauben, dass sich die zwei Player die nächsten zwei bis drei Jahre stark mit sich selbst beschäftigen werden. Interpublic wird für sehr viel Geld übernommen, da werden vom Kapitalmarkt viele Effizienzen erwartet – und auch von Kunden. Wir halten uns aus diesem Schauplatz raus und kümmern uns um unsere Kunden. Mit der Magna Global haben wir einen längerfristigen Vertrag, den man nicht einfach so aufkündigen kann.
„Größe und Einkaufsmacht werden unwichtiger. Entscheidend wird sein, wie nah man am Kunden ist und wie gut man ihn versteht."
Matthias Brüll
Was passiert danach?
Brüll: Für die nächsten zwei Jahre kann man den Vertrag eigentlich nicht lösen. 2025 werden wir daher keinen Wechsel sehen und wir können uns in Ruhe mit Szenarien beschäftigen, was danach kommt. Entweder wir machen wieder eine Einkaufsgemeinschaft, das können verschiedene Konstellationen sein. Da gibt es schon Interessenten. Das zweite Szenario ist: Wir machen es allein, auch dafür sind wir groß genug.
Wenn die Konditionen nicht stimmen, ist man aber gleich raus aus dem Pitch. Selbst wenn Mediaplus gewachsen ist, verlieren sie ohne IPG Einkaufsmacht.
Brüll: Natürlich braucht man auch Einkaufspower. Aber wenn man über Bidding-Systeme redet, ändert sich die Rolle. Laut Verband „Die Mediaagenturen“ liegen schon 50 Prozent des Mediavolumens bei den großen amerikanischen Plattformen. 70 Prozent des Mediavolumens fließen in Digitalwerbung, in traditionellen Medien sind noch 30 Prozent, im linearen TV nur noch 11 Prozent. Den großen Kampf sehen wir auf den traditionellen Spendings, insbesondere bei TV. Da versuchen die großen Netzwerke sehr stark, ihr Businessmodell weiter zu füttern. Die Zukunft wird das aber nicht sein. Die Zukunft wird sein, wie kompetitiv wir im digitalen Einkauf sein können. Die Währung der schieren Größe und Einkaufsmacht wird hier abnehmen. Eine Währung wird sein, wie nah man am Kunden ist und wie gut man ihn versteht.
Danke Juliane Paperlein für das Interview! Erschienen bei Horizont am 6.3. 2025