22.04.2025 |

New Search Revolution: Wie KI die Spielregeln für SEO und SEA verändert – und damit auch für Marken

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Stephan Kopp

Managing Director, Mediaplus Performance

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Der reine Algorithmus hat ausgedient. Wer von KI-Systemen nicht als relevante Quelle erkannt wird, verliert drastisch an Reichweite. Das bringt nicht nur Anbieter von SEO und SEA in Bedrängnis, sondern auch Marken, die sich auf deutlich relevanteren Content fokussieren müssen, um bemerkt zu werden.

Die digitale Suchlandschaft steht an einem Wendepunkt. In den vergangenen 25 Jahren haben die Algorithmen von Google und Microsoft mit ihren zentralen Funktionen als Orientierungsgeber, Informationshelfer, Kaufberater und organische Trafficquelle die Strukturen des Internets maßgeblich geprägt. Die algorithmische Vermittlung zwischen Informationsangebot und -nachfrage hat mit der Suchmaschinenoptimierung (SEO) eine ganze Branche aus dem Nichts entstehen lassen. Die kontextualisierte Echtzeit-Distribution von Werbebotschaften hat nicht nur Marketing und Werbeindustrie umgekrempelt, sondern auch Googles Mutterkonzern Alphabet zu einem der wertvollsten Unternehmen der Welt gemacht.

Nun stehen wir am Übergang vom Algorithmus zur Künstlichen Intelligenz (KI). Das Datenmanagement folgt nicht mehr einem fein abgestimmten, von Menschen erdachten Regelwerk, sondern basiert auf der Modellierung von Wahrscheinlichkeiten in KI-Modellen, die sich durch maschinelles Lernen und immer neuen Input selbst weiterentwickeln.

Von Suchergebnissen zu direkten Antworten: Das Ende der klassischen Suche

Künstliche Intelligenz verändert also grundlegend, wie Informationen verarbeitet, interpretiert und präsentiert werden. Die etablierten Mechanismen, mit denen Websites Besucher:innen anziehen, sind nicht mehr zuverlässig. Google, Microsoft, OpenAI und viele neue Akteure treiben den Wandel voran, indem sie Systeme entwickeln, die direkte Antworten nicht nur auf formulierte Fragen liefern, sondern ihre Funktionen bis in die uns umgebende visuelle Welt ausdehnen. Dank multimodaler Inputmöglichkeiten kann die Menschheit auch mit Hilfe von Fotos oder Videos auf die Suche nach Antworten gehen und diese werden nicht mehr in Form der „Zehn Blauen Links“ geliefert. Stattdessen wird die Suchmaschine zu einem Antwortservice. Dort sollen Nutzer:innen informiert und im besten Falle gleich monetarisiert werden.

Dieses Angebot wird gerne akzeptiert, denn die Planung eines kompletten Familienurlaubs oder die umfangreiche Recherche für die Seminararbeit auf Knopfdruck, das konnten die alten Suchsysteme nicht bieten. Da jede Technologie ihre Kinder erzieht, wird sich mit den Möglichkeiten der KI-Plattformen auch das Such- und Nutzungsverhalten der Menschen nachhaltig ändern. Als Konsequenz stehen Marken und Werbetreibende von beiden Seiten unter Druck: Der Klick von Google wird nicht mehr kommen und die organische Sichtbarkeit für Nutzer:innen lässt sich nicht mehr mit Hilfe von Rankings und Signalen beeinflussen. Wer von KI-Systemen nicht als relevante Quelle erkannt wird, verliert drastisch an Reichweite. Der Wettbewerb verlagert sich von skalierbarer Sichtbarkeit hin zur reinen Referenz auf den neuen Oberflächen.

SEO und SEA im Wandel: Neue Strategien für Marken

Die Ära, in der Klicks als ultimative Messgröße galten, neigt sich dem Ende zu. Entscheidend ist nun nicht nur, ob eine Marke in KI-generierten Antworten auftaucht, sondern auch, wie sie dort repräsentiert wird. Unternehmen, die diese Mechanismen verstehen und strategisch optimieren, haben einen klaren Vorteil. Und der Weg in diese Zukunft ist auch eine Reise in die Vergangenheit.

Bereits heute ist es entscheidend, sich als Marke in einem Corpus von Inhalten zu platzieren, welcher von den KI-Modellen ständig aktualisiert wird. Um sich hier gegen den Wettbewerb zu behaupten, brauchen Inhalte deutlich mehr Kontext als bislang. Technisch sauber optimierter Content bleibt zwar wichtig, wird aber nicht mehr entscheidend sein. Schema Markup, strukturierte Daten und FAQs helfen zwar auch weiterhin dabei, Inhalte für Maschinen verständlich zu machen, um die Wahrscheinlichkeit der Erwähnung zu erhöhen, dennoch müssen Werbetreibende zukünftig wieder auf klassische PR-Arbeit zurückgreifen. Mit ihrer Hilfe können nach wie vor Zitate, Brand Mentions und positive Markenbotschaften dort generiert werden, wo sie zielgruppengerecht resonieren. Konnten Algorithmen noch mit schierer Masse von Content und Keywords überwältigt werden, reagieren KI-Modelle auf wiederkehrende Muster und relevante Verknüpfungen. Auch die Bereitstellung von interaktivem Content zahlt sich aus, denn KI-Systeme bewerten multimediale Inhalte zunehmend als wertvolle Antwortquellen. Auch kann KI zwar statische Inhalte liefern, aber keine interaktiven Inhalte ersetzen. Unternehmen, die ihr Inhaltsangebot entsprechend ausweiten, gewinnen so an Relevanz.

Natürlich verändert KI auch die Spielregeln im bezahlten Bereich der Suche (SEA). Studien wie zuletzt von Seers zeigen, dass die Klickrate (CTR) bei Google Ads sinkt, weil KI-generierte Antworten viele Suchanfragen direkt abdecken. Hier handelt es sich um das Kerngeschäft von Google, weshalb es auch in KI-Antwortsystemen Möglichkeiten zur Werbeschaltung gibt. Aktuell experimentieren die Unternehmen mit unterschiedlichen Formaten. So testet Google bereits Native Ads in KI-generierten Antworten und Perplexity bietet gesponserte Follow-Up-Fragen an. Darüber hinaus gibt es in der neuen KI-Welt bereits erste Schnittstellen für One-Click-Shopping Features und auf dem Weg zu leistungsfähigen Unified Commerce Modellen wird kein Weg an künstlicher Intelligenz und der Integration von Antwortsystemen vorbeigehen.

Marketing für Maschinen: Von Verkaufspsychologie zur Schnittstelle

Und was passiert, wenn Konsument:innen in einer nahen Zukunft den persönlichen Funnel abkürzen und Auswahl sowie Kauf von Produkten und Dienstleistungen ihren KI-getriebenen Agents überlassen? Dies erzwingt von Verkäufern und Werbenden die Entwicklung neuer Formen von User Experiences. Diese basieren dann nicht mehr auf Branding, Design und Psychologie, sondern liefern Echtzeit-Daten in strukturierter, logischer Form über eine Vielzahl relevanter Schnittstellen aus. Automatisierte Transaktionstechnologien wie die Blockchain müssen, was Sicherheit und Zuverlässigkeit angeht, im Zeitalter des Maschinenmarketing ebenfalls neuen Maßstäben gerecht werden. Mit der zunehmenden Rolle autonomer Agenten müssen auch Agenturen eine Doppelrolle einnehmen: Markenstrategien entwickeln, die Menschen ansprechen und begeistern, sowie gleichzeitig KI-Systeme für Sichtbarkeit und Relevanz aufbauen.

Neue Player und Marktverschiebungen: Wer setzt sich durch?

Doch obwohl sich die technologische Grundlage der digitalen Suchfunktion fundamental wandelt, zeigt der Markt noch große Beharrungskräfte. Google hat kaum Marktanteile in der organischen und bezahlten Suche verloren. Microsoft konnte seine Wettbewerbsposition trotz enger Partnerschaft mit OpenAI kaum verbessern. Aber der Suchmarkt fragmentiert sich: Mit Perplexity, Anthropic, Mistral oder DeepSeek sind starke Herausforderer für Google angetreten. Die Aufgabe von Agenturen wird es sein, ihre bestehenden digitalen Kompetenzen zu bündeln und dadurch alle Chancen, die sich im Übergang von Algorithmus zu Künstlicher Intelligenz bieten, ihren Kunden zugänglich zu machen.

 

Zuerst erschienen bei W&V.