Decoding Collaborations #1: Zugehörigkeit als Statussymbol

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Franziska Gregor

Managing Director, Serviceplan Culture

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Decoding Collaborations #1:

Warum Zugehörigkeit das neue Statussymbol ist

Kooperationen mit Artists, Creator:innen oder Communities können wahnsinnig erfolgreich sein – wenn sie durchdacht sind. Franziska Gregor, Managing Director von Serviceplan Culture, berichtet in ihrer neuen Campaign-Kolumne "Decoding Collaborations" künftig einmal im Monat,  worauf es bei wirkungsvollen Partnerschaften ankommt.

Dafür hat sie eindrucksvolle Beispiele in petto, was funktioniert und was nicht – und warum Haltung, Mut und Timing entscheidend sind. Im Fokus stehen Best Practices, inspirierende Talente und Kooperationen, die Verbindungen schaffen und Marken neu definieren. In diesem Monat: Patta und die PoC-Community in Amsterdam. 

Die Rennaissance der Micro-Communities

Vielleicht ist es die dunkle Jahreszeit, aber wenn ich mich umsehe, höre ich von allen Seiten von diesem Gefühl des Weltschmerzes. Rückzug in Bücher, Hobbies, kleine Momente – es fühlt sich fast unumgänglich an, wenn man den ganzen Tag mit bestehenden und nahenden Katastrophen bombardiert wird. Mehr Kino, mehr Konzerte, die Partys sind kleiner, vertrauter. Sportvereine erleben wieder mehr Zulauf. Das echte Leben zieht uns an, weg von der Unverbindlichkeit, die oft wie ein Schutzschild wirkt.

Guido Heffels sagte letztes Jahr : "Wir müssen jetzt nicht in jedes besetzte Haus einen Goodie-Bag legen." Ja, verstehe ich. Aber der Grad der Komplexität bei Kooperationen - zwischen rappenden Praktikant:innen im Supermarkt und einem exklusiven Buchclub von Jacquemus  - ist schmal. Und die meisten Leute? Die sind maximal lost. Also, wie kommen wir jetzt zusammen? 

Es braucht keine besondere Weitsicht, um die Renaissance der (Micro)-Communities vorherzusehen.

Erstmal ist die große Frage, die im Raum steht: Warum glauben wir niemandem mehr? Keinen News, keinen Hollywood-Schauspieler:innen, keinen großen Brands. Wir setzen alle auf zu wenig Vielfalt: Vielfalt im Thema. Immer wieder die gleichen Schlagwörter, noch ein Superhero-Film, eine Y2K-Kampagne im Kodak Look oder der x-te TikTok-Unpackaging Content, der längst outdated ist.  

Menschen suchen wieder Sicherheit und Bestätigung in kleinen Gruppen. Social Media war mal dafür gedacht, uns zu vernetzen, aber irgendwie hinterlässt es immer öfter einen bitteren Geschmack. Auch Anxiety genannt. Entertainment-Media hat zwar in den letzten Jahren etwas Zucker draufgestreut, aber es sind doch eher leere Kalorien. Social Media war mal der große Traum alle zusammenzubringen, jetzt ist es der Tinnitus ganzer Generationen.

Was passiert, wenn Perfektion zum Standard wird? Wenn der vermeintliche Glanz der digitalen Welt nichts weiter ist als ein Spiegel für unsere Sehnsucht nach Echtheit?  In den 90ern brauchte es Supermodels, Pop-Ikonen und eine konsumreiche Glitzerwelt bis sie in sich selbst zusammenfiel und Grunge als Gegenbewegung explodierte. 2025 und fortlaufend erleben wir etwas Ähnliches: Aus Online wird Offline, aus massenhaften Feeds und Storys werden exklusive Events.

Die beispiellose Collab zwischen Patta und der PoC-Community

Die Zusammenarbeit zwischen Patta und der PoC-Community in Amsterdam ist ein Paradebeispiel dafür, wie Marken durch ernsthafte Community-Building-Maßnahmen langfristig wachsen können. Patta, gegründet von Edson Sabajo und Guillaume Schmit, startete einst als lokale Sneaker-Boutique in Amsterdam und hat sich durch den konsequenten Fokus auf Gemeinschaft und Kollaboration international etabliert.

Ein Wendepunkt war die Gründung des Patta Running Teams im Jahr 2010. Dieses Team schuf eine diverse Lauf-Community, die weit über die Hip-Hop- und Streetwear-Szene hinausreicht. Patta nutzte diese Plattform geschickt, um sein Portfolio um Laufbekleidung zu erweitern und damit ein völlig neues Segment im Streetwear-Bereich zu erschließen.

Die "Nike x Patta Running Team"-Kollektion  aus dem Jahr 2024 zeigt auf, wie diese Partnerschaft durch drei präzise Maßnahmen globales Aufsehen erregen konnte: 

1. Zielgerichtetes Targeting: Die globale Kommunikation ist auf 22- bis 35-Jährige, die sich für Fitness, Running, Streetwear und Sneakers interessieren, ausgelegt. Besonders auf Social Media erzielte die Kampagne in Kooperation mit Nike herausragendes Engagement.

2. Sniper-Strategie bei Talent Kooperationen: Statt eine breite Masse anzusprechen, setzt Patta gezielt auf einzelne starke kulturelle Botschafter:innen.

3. Run Clubs als Marketingplattform: Das Patta Running Team nahm nicht nur an Events wie dem London Marathon teil, sondern organisierte auch lokale Läufe. Diese Events stärkten Patta’s Community-orientiertes Image und boten eine Plattform, um die neue Kollektion direkt an die Zielgruppe heranzutragen. Wer genau hinschaut, wird sehen, dass mit Cycling wahrscheinlich bald eine weitere exklusive Community aufgebaut wird.

Doch die Bedeutung dieser Kollaborationen mit Communities geht über Abverkauf hinaus: Patta hat Räume geschaffen, in denen sportliche Aktivitäten und kultureller Austausch zusammenkommen. Die Marke gibt aus ihrem Kern der PoC-Community nicht nur eine Bühne, sondern fördert aktiv die Vernetzung. 

Zusammengefasst: Es geht nicht darum, Buzzwords wie #authentisch oder #nahbar zu bedienen. Es geht darum, etwas zu spüren und Teil einer Gruppe zu werden, die bewusst abseits des Mainstreams steht. Ja, das birgt in der Zeit von Zersplitterung durch Algorithmen auch Gefahren. Aber die gute Nachricht ist: Wir als Branche haben Reichweite. Wir können kritische, aber demokratische Räume schaffen, wenn wir uns austauschen und zusammenarbeiten. Gerade im Angesicht der aktuellen Entwicklungen bei Meta, X und Co.

Wir müssen Resonanzräume und ihre Botschafter:innen, wieder für uns gewinnen. Ich habe sicherlich nicht die finale Antwort für die Marketingbranche oder Politik. Aber eines ist klar: Wenn wir weiter zu einer Masse sprechen, die es gar nicht mehr gibt – nur weil es bequem oder einfacher ist – werden wir singend und tanzend in die Kreissäge laufen. Und das muss ja nicht sein.

Deshalb: Augen auf und Mut zur Nische. Mut zur echten Community-Kooperation. Das ist nicht nur ein smarter Marketing-Move, sondern eine echte Chance, die Menschen wieder zu erreichen und zu bewegen.

Dieser Artikel erschien zuerst bei Campaign Germany.