14.02.2025 |

TWELVE | Digitale Transformation: Retail Media zwischen KI, Hyperpersonalisierung und unified commerce

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Carina Mueller

General Manager Retail Media & Commerce, Mediaplus Group

Ist Retail Media für Marken der goldene Weg, um eine konsistente, reibungslose Customer Experience zu schaffen und den Absatz zu steigern? Carina Müller, General Manager Retail Media & Marketplaces Mediaplus Performance, beleuchtet am Beispiel des Fruchtsaft- und Erfrischungsgetränke-Herstellers Eckes-Granini die Chancen und Knackpunkte.
Filialschließungen und leere Schaufenster prägen zunehmend das Bild deutscher Innenstädte. Das Ladensterben macht nicht nur dem Einzelhandel zu schaffen, sondern auch Marken, denen dadurch wichtige PoS-Stationen fehlen. Die Schuld an dieser Entwicklung wird oft reflexartig dem Online-Handel zugeschrieben. Amazon mit seiner 24/7-Verfügbarkeit und der Lieferung am selben Tag hat in den letzten Jahren die Spielregeln des Handels radikal verändert. Und das auf vielen Wegen.

"Mit dem Einsatz von künstlicher Intelligenz und Echtzeit-Daten erreicht die Individualisierung von Werbebotschaften und Angeboten eine neue Dimension-Stichwort 'Hyperpersonalisierung'“.

Rettungsanker Retail Media

Rund 47 Milliarden US-Dollar setzte Amazon 2023 allein mit Werbung um. Retail Media ist ein boomender Markt. In Deutschland liegt das Marktvolumen bereits bei 1,7 Milliarden Euro. Prognosen gehen von einem jährlichen Wachstum von plus 20 Prozent aus. Was also liegt näher für Händler, als sich ein Stück des immer grüner werdenden Kuchens abzuschneiden?

Mit Retail Media öffnen Handelsunternehmen wie Rossmann, Schwarz Media, REWE, Douglas oder MediaMarktSaturn ihre digitalen und stationären Werbeflächen von E-Commerce-Websites über Apps bis hin zu PoS-Netzwerken für Marken und Hersteller und bieten diesen die dringend benötigten neuen Wege der Kundenansprache. Denn Ungemach droht nicht nur im stationären Handel, sondern auch online: Herkömmliche Cookie-basierte Techniken sind im digitalen Marketing aufgrund von Datenschutzund Browserbeschränkungen nicht mehr besonders effizient und erreichen nur noch einen Teil der Nutzer:innen. Marken und ihre Agenturen sind deshalb gefordert, das Aussteuern digitaler Kampagnen neu aufzusetzen.
Retail-Media-Angebote eröffnen hier weitreichende Optionen. Im Zentrum stehen die wertvollen 1st-Party-Kundendaten, die Insights auch zum Kaufverhalten liefern. Die von Kundenprofilen erzeugten und legitimierten Daten ermöglichen es, Marketingmaßnahmen individuell auf das Kaufverhalten und die Interessen der Konsument:innen abzustimmen – ein klarer Vorteil gegenüber klassischen Werbekanälen.

Retail Media bei Eckes-Granini

Ein Unternehmen, das sein Geschäft konsequent mithilfe von Retail Media ausbaut, ist Eckes-Granini Deutschland. Das Unternehmen aus Nieder-Olm ist mit einem umfangreichen Produktportfolio an Fruchtsäften und fruchthaltigen Getränken im Lebensmitteleinzelhandel vertreten. Für Eckes-Granini eröffnen Retail-Media-Kundendaten die Möglichkeit, Werbemaßnahmen auf potenzielle Käuferkategorien zu fokussieren, die in Verbindung mit dem Kauf von Säften und Vitaminwasser aus der „hohes C“-Produktreihe stehen. Die Vielfalt und Granularität der Kategorien und Cluster erlaubt es dabei, passende Personengruppen, basierend auf ihrem Kaufverhalten, zu identifizieren und gezielt anzusprechen. 

Bei Eckes-Granini sind alle kundenorientierten Bereiche des Unternehmens miteinander verbunden, um im Idealfall ein konsistentes, nahtloses Kundenerlebnis über alle Kanäle wie Website, soziale Medien und stationäre Geschäfte hinweg zu bieten. Dennoch sind manche Probleme die alten geblieben, eine weiterhin bestehende Herausforderung stellt die Auswahl und Evaluierung der Daten dar. 

Der Anspruch: Daten müssen nicht nur qualitativ hochwertig sein, sie müssen auch in strukturierter Form vorliegen. Grundsätzlich benötigen Werbetreibende Zielgruppen- und Regiodaten von Käufer:innen und Interessent:innen, darüber hinaus Auswertungen von sogenannten Cross-Interessen. Technikaffine Zielgruppen, die zum Beispiel Smartwatches erwerben, interessieren sich oft auch für Fitnessprodukte jeder Art. Modekäufer:innen, die Kleidung aus umweltfreundlichen Materialien bevorzugen, achten häufig auch bei Haushaltseinkäufen auf Sustainability. Retail Media kann diese Menschen identifizieren. In der Regel sind die konkreten Warenkörbe und Shopping-Daten der Händler besser als Zielgruppendaten, die ein herkömmlicher Vermarkter eines Mediums liefern kann. Hier liegt eine große Chance für Händler, indem sie neue Zielgruppencluster beschreiben, die für die Produkte der Werbetreibenden passgenau geeignet sind und ausreichend differenzieren.

Die zweite Hürde ist eine effiziente und intuitiv gestaltete Customer Journey: Besonders im FMCG-Sektor kann eine komplizierte Nutzerführung und ein unzureichend automatisierter Datenaustausch schnell zu Kaufabbrüchen führen. Wenn etwa die Offline-Verfügbarkeit eines Produkts nicht in Echtzeit angezeigt wird, führt dies zu enttäuschten Kund:innen und verpassten Umsätzen. Zudem stellen verschärfte Datenschutzbestimmungen und veraltete Backend-Systeme Hindernisse dar, die den Datenaustausch erschweren.

Von Omnichannel zu unified commerce

Das Omnichannel-Modell allein hat sich als unzureichend erwiesen, um diese Probleme zu lösen. Unified Commerce geht darüber hinaus. Der wesentliche Unterschied zu Omnichannel liegt in der Echtzeit-Verknüpfung aller nur denkbaren Datenpunkte entlang der gesamten Customer Journey – online wie offline. Online ausgespielte Retail-Media-Werbung weist dabei direkt auf stationäre Angebote hin. Diese Echtzeit-Integration trägt dazu bei, sowohl den Absatz zu steigern als auch eine konsistente, reibungslose Customer Experience zu schaffen. Konsument:innen und Marken profitieren von einer durchgängig nahtlosen sowie verbesserten und individualisierten Einkaufserfahrung, die ein einheitliches, konsistentes Erlebnis über alle Berührungspunkte hinweg ermöglicht.

Mit KI zur Hyperpersonalisierung

Mit dem Einsatz von künstlicher Intelligenz und Echtzeit-Daten erreicht die Individualisierung von Werbebotschaften und Angeboten eine neue Dimension –Stichwort „Hyperpersonalisierung“. Sie geht weit über die klassische Personalisierung hinaus, indem sie detaillierte Kundendaten wie Surfverhalten, Kaufhistorie, Standort und prädiktive Analysen nutzt, um genau auf den einzelnen Menschen zugeschnittene Inhalte, Empfehlungen und Angebote zu erstellen. Nur der Einsatz von KI ermöglicht hier die schnelle Datenauswahl und -bearbeitung. Ein konkretes Anwendungsbeispiel sind digitale Coupons in Apps. Auch Eckes-Granini ist in diesem Bereich aktiv. Bereits im vergangenen Jahr startete das Unternehmen zusammen mit einem Handelspartner eine Coupon-Kampagne, die durch eine abrechnungsbasierte Retail-Media-CPM-Platzierung ergänzt wurde. Die Kampagnenmechanik integriert die stationären Daten direkt in die Customer Journey und ermöglicht ein komplexes Targeting, das gezielt die Bedürfnisse preissensibler Kund:innen im Kontext ihrer Interessen und Standorte anspricht. User:innen und Ums.tze werden dabei über digitale oder gescannte Kassenbons verbunden. Anschließend können personalisierte Werbeinhalte über Retail-Media-Inventare in In-App, Onsite oder Offsite sowie im Connected TV (CTV) ausgespielt werden. 

Die gewonnenen Erkenntnisse aus der Kampagne waren für das Unternehmen äußerst wertvoll. Vor allen Dingen lieferten sie wichtige Einblicke in das Kaufverhalten und halfen dabei, die Wirksamkeit der eingesetzten Werbemaßnahmen besser zu verstehen und zu optimieren. Steigerungen der Conversion Rates belegen, dass Personen nach dem Anzeigen der Werbung tatsächlich eine gewünschte Aktion – zum Beispiel einen Kauf – durchgeführt haben.

Alle Kraft auf Retail Media? Jein! Natürlich nur als Teil der gesamten Media-Klaviatur und nur mit entsprechender Vorbereitung. Denn Retail Media ist für Marken deutlich komplexer als reine Online-Werbung. Zahlreiche Marken befinden sich in einer partnerschaftlichen Geschäftsbeziehung mit Händlern und stehen vor der Herausforderung, ihre Vertriebs- und Marketingziele effektiv aufeinander abzustimmen. Für die Werbetreibenden ist zudem wichtig, dass Retail Media in ihrer Werbewirkung und Werbeleistung mit anderen Kanälen verglichen werden kann, um die Performance kanalübergreifend zu messen.

Die Kosten für gut strukturierte 1st-Party-Daten sind hoch, wenn man sie nicht selbst besitzt. Auch die Technologien für Echtzeit-Verknüpfungen und KI-Analysen sind derzeit nicht günstig. Die Forderung: Händler müssen mittelfristig eine technische Infrastruktur für ihr Business zur Verfügung stellen, die marktkompatible Standards erfüllt und passende Schnittstellen anbietet.

Am Ende entscheidet der Consumer

Ob hyperpersonalisierte Werbung in jeder Altersgruppe gleichermaßen wirksam sein kann, bleibt abzuwarten. Während die jüngeren Generationen wie Gen Z und Gen Y sich personalisierte und für sie relevante Werbemaßnahmen über ihre digitale und stationäre Customer Journey wünschen, können ältere Generationen mit einem stärkeren Bewusstsein für Datenschutz personalisierte Customer Journey als Eingriff in ihre Privatsphäre verstehen.

Auch Eckes-Granini steht deshalb vor der Herausforderung, die Balance zwischen breiter angelegtem Targeting und personalisierter, individualisierter Kommunikation zu finden und immer wieder zu überprüfen. Mehrwert und finanzieller Aufwand müssen sich die Waage halten, um auch im Bereich der Personalisierung weiterhin wirtschaftlich agieren zu können.

Letztlich entscheidet die Kosten-Nutzen-Rechnung: Rechtfertigen Umsatzsteigerungen, positive Markeneffekte und ein höherer Kampagnen-RoI die Investitionen in die Infrastruktur und die Erstellung personalisierter Inhalte? Klar ist jedoch: In einer Cookie-losen Welt bildet Retail Media die Brücke hin zu den Konsument:innen und kann zu Umsatzsteigerungen führen. Unified Commerce und Retail Media könnten das lang ersehnte Versprechen des digitalen Marketings hin zu einem datenbasierten, kundenzentrierten Modell endlich einlösen.
 

Mehr Infos zu den Mediaplus Retail Media Services.

Zuerst erschienen in der TWELVE - das Magazin der Serviceplan Group für Marken, Medien und Kommunikation.