3 Fehler, die die junge Podcast-Audience nie verzeiht

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Daniel Schmidt

Head of Audio Strategy, Mediaplus

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Die Generation Z verabschiedet sich vom linearen Radio – stattdessen wächst der Podcast-Konsum rasant. Laut dem neuen „Podcast Report 2025“ von Seven.One Audio greifen immer mehr junge Menschen lieber zu On-Demand-Formaten. Was steckt hinter diesem Wandel – und was bedeutet das für Marken, die in Audio investieren wollen?

Der aktuelle „Podcast Report 2025“ von SevenOne Audio bescheinigt Podcasts erstmals eine höhere Nutzung in der jungen Zielgruppe als Radiosendern: Bei den 18- bis 29-Jährigen hören über zwei Drittel (73%) regelmäßig Podcasts. Die Radioreichweite ist hingegen auf 70% gesunken. Die rasante Entwicklung des Podcast-Marktes stützt diese Ergebnisse: In den letzten acht Jahren ist die Nutzung um über 250% gestiegen. Trotz des Audio-Booms greifen viele Markenstrategien für die jüngeren Zielgruppen daneben. Woran liegt das?

Fehler 1: Gen Z als reine Zielgruppe sehen – nicht als Community

Podcasts sind persönlicher als fast jedes andere Medium. Die Stimme im Ohr wird zum vertrauten Begleiter, Hosts zu Bezugspersonen. Wer hier mit Werbung einsteigt, muss verstehen, dass Nähe nicht nur durch Reichweite entsteht, sondern durch Relevanz. Viele Marken setzen dennoch auf klassische Radiospots oder unpassende Podcast Pre-Rolls, ohne auf Tonalität, Kontext oder Werte der Shows und Hosts zu achten.

Dabei gilt: Authentizität schlägt Absender. Wer die Gen Z erreichen will, muss ihre kulturellen Codes verstehen und glaubwürdig adaptieren – etwa im Kontext von Promi-Fandoms oder viralen Trends. Plattformkompetenz ist für die Gen Z selbstverständlich und das gilt auch für Marken. Denn sie reagiert besonders sensibel auf Brüche im Content: Unauthentische Werbung wird sofort entlarvt, ignoriert oder direkt weggeklickt.

Fehler 2: Podcasts wie Radio behandeln

Radio und Podcasts verbindet das Audio-Element: emotional und nah. Und trotzdem fühlt sich der Vergleich der beiden Medien im SevenOne Podcast Report irgendwie falsch an. Ihre Umfelder könnten unterschiedlicher nicht sein – sowohl im Nutzungsverhalten als auch in der Buchungslogik. Radio wird durch die notwendige Infrastruktur gebremst, benötigt Lizenzen und hat einen hohen Personal- bzw. Kostenaufwand. Es ist linear, oft regional, kuratiert durch Musikredaktionen – Podcasts hingegen sind on demand, persönlich, individuell. Kein Moderator, kein Sendeplan, aber dafür Tiefe, Authentizität und Nischenvielfalt.

Marketer müssen diese Unterschiede verstehen. Denn der Fehler liegt oft in der Mediaplanung: Podcasts werden wie klassische Werbeträger behandelt, dabei funktionieren sie komplett anders. Wer nicht gezielt auf Umfeld, Host-Match und thematische Relevanz achtet, verschenkt Wirkung. Was funktioniert, sind Kooperationen mit Hosts, native Integrationen und transparente Kommunikation.

Fehler 3: Audio nicht social denken

Audio ist heute mobil, visuell und durch Social Media geprägt. Ob TikTok, Instagram Reels oder YouTube Shorts: Die Gen Z stößt auf neue Formate, Songs oder Stimmen nicht im Radio, sondern über kurze On-Demand-Videos. Chart-Trends entstehen auf Social Media – ausgelöst durch Memes, Sounds oder Challenges. Die snackable Videoformate holen sogar längst vergessene Songs zurück in die Charts.

Das verändert auch den Zugang zu Podcasts. Formate, die sich nicht visuell erzählen oder emotional andocken lassen, verschwinden im Feed. Und klassisches Radio hat in dieser Welt kaum Anschluss: keine Videos, keine Gesichter – und viele Artists der jungen Zielgruppe tauchen im Radio gar nicht erst auf; weil sie nicht zur Programmfarbe passen oder weil Explicit- wie Rap-Titel aus regulatorischen Gründen nicht gespielt werden (können). Wer junge Zielgruppen erreichen will, sollte Audio deshalb als Teil einer vernetzten, visuellen Erzählwelt begreifen. Ein aktuelles Beispiel hierfür ist die Jet2 Holiday Kampagne: Ihr Soundtrack hat den Sprung vom Video-Commercial in die Social Feeds geschafft – Audio funktioniert also auch ohne das TV-Bild. Der Jingle des 2024er Spots ist derzeit in unzähligen TikToks und Instagram Reels zu hören.

Rettungsanker DAB+?

Eine potenzielle Chance, junge Zielgruppen langfristig zu binden, liegt im digitalen Verbreitungsweg DAB+ (Digital Audio Broadcasting Plus). Der Nachfolgestandard des analogen UKW-Radios funktioniert ohne Internet, da er über eine eigene Funkinfrastruktur sendet, und hat bereits für ein deutliches Wachstum der Senderlandschaft gesorgt. Diese neue Vielfalt schafft Raum für innovative Formate und kann gerade junge Hörer:innen binden.

Wie das aussieht, zeigt beispielsweise Radio Bollerwagen: Der digitale Sender setzt konsequent auf Partymusik, Schlager und Après-Ski-Klassiker und hat es in kürzester Zeit in die MA-Ausweisung geschafft. Ergo: Wenn die Inhalte zur Zielgruppe passen, funktioniert auch lineares Audio. Auch Absolut Radio geht neue Wege. Mit Absolut Hot und Absolut Top bietet die Marke zwei klar profilierte Senderformate – national verbreitet, digital empfangbar und zugeschnitten auf eine junge Hörerschaft.

Fazit: Audio nicht gegen Audio ausspielen – Zielgruppen und Nutzung verstehen

Podcasts ersetzen das Radio nicht – sie bedienen ein anderes Bedürfnis. Während der Podcast-Report ein starkes Wachstum für das Medium aufzeigt, belegen die Daten der MA Audio: Auch bei den 18- bis 29-Jährigen bleibt klassisches Radio präsent (s. Tabelle unten). Doch die Nutzungsmuster verändern sich, und mit ihnen die Anforderungen an Inhalte, Plattformen und Markenkommunikation.

Wer die Gen Z erreichen will, darf Audio nicht mehr eindimensional denken. Podcast, Streaming, Radio – sie übernehmen unterschiedliche Rollen. Erfolgreich ist, wer ihre Stärken kennt und seine Zielgruppe versteht.

Nutzung letzte 4 Wochen (Stand: 02.07.2025)

18 - 29 Jahre

18 - 49 Jahre

Basis

10.226

28.915

 

Fälle (ungew.)

   %

 Mio

Fälle (ungew.)

   %

 Mio

Podcast innerhalb der letzten 4 Wochen genutzt

5.648

  51,4

 5,5

14.152

  42,4

 13,3

Werbefunk WHK

8.838

  84,2

 9,04

25.895

  87,5

 27,38

Vermarkter RMS Gesamt WHK

8.096

  77,0

 8,26

23.860

  80,9

 25,29

Vermarkter ARD MEDIA Gesamt WHK

7.349

  70,7

 7,58

21.650

  73,1

 22,86

Tabelle: Aktuelle Auswertung auf der Basis der ma 2025 Audio I

Dieser Artikel erschien zuerst bei Horizont.